Langreichenbach
Im Pfarrhaus wurde Weltgeschichte geplant
Langenreichenbach (LGB) fand seine erste Erwähnung als Richenbach im Jahre 1201 in der durch Papst Innozenz III. bestätigten Besitzurkunde des Augustinerklosters auf dem Petersberg. Richenbach wurde ein Kirchlehen mit Patronat (Gerichtsbarkeit) in Besitz dieses Klosters. Das Augustinerkloster war eine Gründung des Adelsgeschlechtes der Wettiner, den späteren Herzögen, Kurfürsten und Königen von Sachsen. Der Dorfname erklärt sich bei Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten von selbst. Dem Namen nach hat Langenreichenbach keine sorbische Vergangenheit, sondern war wie Audenhain pure Neulandgewinnung deutscher Kolonisatoren auf „Wilder Wurzel“ inmitten des Urwaldes Skoldoch, dessen Reste sich mit den Wäldern am Schildberg, der Mittelheide und dem Kolbitzwald noch heute im Sichtfeld des Dorfes gruppieren. In der Art und Weise der Entstehung ist Langenreichenbach eine Schwester Audenhains. Gut möglich das die ersten Siedler aus dem gleichen Teil des damaligen Franken- bzw. Sachsenlandes kamen. Wie Audenhain ist LRB zur Gründung ein Dorf ohne lokale Grundherrschaft (Rittergut): Die Gehöfte der Bauern wurden planmäßig beiderseits des Heidelbachs in größeren Abständen voneinander angelegt. Der Ackerbesitz in der für die deutsche Besiedelung typischen Streifenflur beginnt unmittelbar hinter den Gehöften und die Bauern waren keinem örtlichen Herrn zu Frontdiensten verpflichtet. Richenbach wurde wie in Audenhain geschehen verwaltungstechnisch in eine Ober- und Niedergemeinde geteilt. Zusammen unterstanden die beiden Dorfteile sowohl abgaben- und leistungspflichtig (Hand- und Spanndienst) dem Amte Torgau. Die Anzahl der Hufengüter (Bauerngehöfte) überstieg mit 71 der Zahl Audenhainer Hufengüter um gut zwanzig Höfe. LRB unterstand bis zur Reformation dem Patronat der Klosterherren auf dem Petersberg, diese hatten somit die Gerichtsbarkeit im Dorfe und waren zudem Einnehmer der Lehnzinsen (Pacht) von den Hufengütern. Die Hufenbauern waren persönlich frei und hatten keine Hand- und Spanndienste auf Feldern der Klosterbrüder zu leisten, da dieselben in LRB kein Vorwerk mit Vieh und Acker besaßen. Um 1529, mit der Reformation und der Auflösung der Klöster ging LRB direkt in Besitz des Kurfürsten über, aus Richenbach wurde in den Akten Langen-Reichenbach. Die Verwechslungen mit dem nahen Dornreichenbach hatten wohl in den Amtsstuben überhand genommen.
Foto: Das Kloster auf dem Petersberg hatte wesentlichen Einfluß auf die Dorfgründungen in den Gefilden zwischen Dübener und Dahlemer Heide. Bei einem Besuch auf dem Klosterberg, läßt sich noch Einges der Zeit von vor 1000 Jahren erahnen.
Ab 1676 kamen neue Lasten auf die freien Bauern des Dorfes. Ludwig Heinrich von Sebottendorf, ein Kammerherr am kurfürstlichen Hof in Dresden und Hauptmann einer Frei- und Leibkompanie begann Bauerngüter in Dorfe aufzukaufen, um sich ein größeres bäuerliches Vorwerk aufzubauen. Der adlige von Sebottendorf hatte offensichtlich beste Beziehungen zum kurfürstlichen Hof in Dresden, denn sein Vorwerk wurde zum Rittergut erhoben. Das heißt, es wurde aus der Torgauer Amtsverwaltung herausgelöst und erhielt die Kanzleischriftsässigkeit. Herr von Sebottendorf und sein Besitz waren nur noch den Kurfürsten selbst unterstellt. Das Glück des Herren von Sebottendorf währte nur 5 Jahre. Er verstarb 1681 und sein Gut ging in Konkurs. Seinen Nachfolgern wird die Kanzleisässigkeit entzogen und stattdessen wieder dem Amt Torgau angegliedert. Trotzdem hatten die Bauern des Dorfes einen wesentlichen Teil ihrer kommunalen Selbstverwaltung an das Rittergut verloren. Die Rittergutsbesitzer bestimmen ab dem Zeitpunkt die Geschicke des Dorfes bis zu ihrer Enteignung 1945 wesentlich mit.
Im November 1760 wurde Langenreichenbach Teil der Weltgeschichte. Auf den Süptitzer Höhen wollte sich das Heer des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation unter Befehl des Habsburger Marschall von Daun mit dem sächsischen Heer vereinen, um den in Sachsen eingedrungen Preußenkönig Friedrich II. endgültig zu vertreiben. Einen entscheidenden Anteil, dass es am 3. November anders kam, hatte der preußische Reitergeneral Joachim Hans von Ziethen, der sein Hauptquartier im Pfarrhaus zu LRB aufgeschlagen hatte und hier seine ausgefallene Angriffstaktik entwickelte. Von hier aus zog er mit seiner etwa 3000 köpfigen Streitmacht über Audenhain, Wildenhain und Klitzschen gen Süptitz, um dort durch unwegsames sumpfiges Gelände aus dem Hinterhalt kommend, dem Reichsheer unter Feldmarschall von Daun den schon sicher geglaubten Sieg auf den Süptitzer Höhen noch zu entreißen. Aus General Joachim Hans von Zieten wurde im Volk der „ Ziethen aus dem Busch“. Mit dem gleichnamigen Gedicht setzte der Dichter Theodor Fontane dem körperlich kleinen Reitergeneral ein großes literarisches Denkmal.
Heute ist Langenreichenbach in Sachsen vor allem für sein ausgeprägtes Vereinsleben ausgezeichnet und bekannt.
Foto: Das Pfarrhaus zeigt sich nach grundhafter Sanierung wieder von seiner besten Seite. Hier hatte der preußischen Husarengeneral Hans Joachim von Zieten vor der Schlacht auf den Süptitzer Höhen sein Hauptquartier eingerichtet.