Sorben bis Kaiser Karl
Die Sorben kommen und bleiben
Im 5. Jahrhundert hatten die germanischen Hermanduren weitestgehend die hiesigen Gefilde verlassen. Auch anderswo, wie im böhmischen Becken, heute Tschechien, waren die germanischen Markomannen gegen Westen gezogen. Von Osten her rückten die slawischen Völker heran, um die menschlich ausgedünnten Gegenenden zwischen Adria und Ostsee neu zu besiedeln. Die slawische Besiedlung erfolgte nach keinem Masterplan bzw. einheitlicher feudaler Führung. Zumeist waren es die großen Flüsse wie Donau und Elbe an und auf denen die Slawen zu neuen Ufern zogen. Die ersten von ihnen sollen bereits nach 500 diesseits des mit dichten Urwald bewachsenen Erzgebirges entlang der Elbe, Mulde und Saale hier aufgetaucht sein. Tönerne Spuren von Ihnen fanden und finden Archäologen bei Grabungen zum Beispiel entlang bzw. in der Nähe des Elbestroms. Es war der Großstamm der Sorben, der hier zwischen Saale und Elbe heimisch werden sollte.
Wie waren die Sorben organisiert
Da von den Sorben selbst keine schriftlichen Hinterlassenschaften existieren, basieren alle Erkenntnisse über ihre gesellschaftliche Organisation aus Berichten fränkischer und sächsischer Zeitzeugen und aus Archiven von Klöstern und Bistümern. Die Sorben beherrschten Ackerbau und Tierhaltung, aber betrieben noch eine intensive Jagd- und Sammelwirtschaft in den Wäldern. Der Zusammenhalt der Stämme wurde durch heidnische Rituale mit einen Vielzahl von Göttern an Heilgen Orten (z.b „Gana“ bei Lommatzsch) zelebriert. Den oberen Stammesfürsten unterstanden die Anführer verschiedener Unter- und Kleinstämme, die auf mit Holzpalisaden, Erdwällen und Wassergräben befestigten Burgen residierten. Die Bauernfamilien waren unfrei und an ihre Stammesführer feudal gebunden. Im Kriegsfall wurden die Bauern zu Kriegern und unterstanden bedingungslos ihren Stammesführern. Der Kriegszug gegen andere Stämme und Völkerschaften zum Zwecke von Plünderung und Menschenraub gehörte zum Selbstverständnis der Sorben.
Wir befinden uns im Jahre 551 nach Christus Geburt. Die Feldflur links und rechts der Elbe bedeckte nur spärlich Wald und Wildwuchs, die Spuren der ehemaligen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung durch das Volk der Hermanduren waren noch sichtbar. Ein landwirtschaftlicher Neubeginn auf dem fruchtbaren Lehmboden der Elbauen für neue Siedler versprach gute Erträge. Sorbische Stämme und Familienverbände hatten sich die Elbauen zwischen Dresden und Wittenberg als ihre neue Heimat auserkoren. Ein Blick auf die Landkarte unserer Tage macht die Besiedlung durch die Sorben vor 1500 Jahren augenscheinlich. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht drängt sich Dorf an Dorf. Fast ausnahmslos dem Dorfnamen nach sorbische Gründungen. Die Namen der Dörfer enden auf -itz, -au und - tzsch bzw. deren Ableitungen. Der Platz für weitere Neuankömmlinge, die von Süden her nachdrängten, wurde in der Elbaue knapp.
Foto Karte: Fast ausnahmslos sind die Dörfer in der Elbaue zwischen Belgern und Torgau sorbische Gründungen.
Die Sorben kommen entlang des Schwarzen Grabens
Größere und kleinere Zuflüsse der Elbe wiesen den nachrückenden Familienverbänden den Weg zu neuen Siedlungsplätzen. Die Wasserläufe versprachen fruchtbare Böden und frische Weiden fürs Vieh. Ein Teil der slawischen Neuankömmlinge nahm den Weg stromauf des heute als Schwarzer Graben bezeichneten Bachlaufes. Melpitz wurde gegründet, etwa 2 km weiter ließ sich bei Klitzschen ein weiterer Familienverband nieder, wahrscheinlich am Huxel (Audenhain) und ebenso, weiter stromauf bei Schöna, Röcknitz und Bönitz, wo der Schwarze Graben entspringt. Für Strelln wurde der Schwarze Graben anscheinend nicht zum Siedlungsgrund, es müssen andere Vorteile gewesen sein, die die Sorben zum Bleiben veranlasst haben. Der Höhenrücken westlich von Strelln bildet die Ansiedlungsgrenze, denn die Höhenlage teilte den Wasserabfluss in Richtung Mulde und anderseits zur Elbe. Es war zugleich die natürliche Grenze zu einem anderen von der Mulde her vorgerückten sorbischen Unterstamm. Mockrehnas Gründung stammt dem Namen nach ebenso aus der Sorbenzeit und beruht zwar nicht vordergründig auf die Nähe zum Scharfen Graben, aber gleichfalls dem Ortsnamen nach auf das Vorhandensein von ausreichend Wasser. Weitere Dorfnamen in alten Steuerakten verweisen auf sorbische Dörfer hin, die im Laufe der Jahrhunderte auf verschiedenen als Wohnstätten aufgegeben wurden. Nachgewiesen sind Kolbitz, (Moor, Sumpf) heute ein Waldgebiet südöstlich von Klitzschen, Pristwitz ( wo das Heidekaut wächst)), gelegen in der Nähe vom Stern/B87. In der Gemarkung Strelln wird von Winnigenda und Rochlitz berichtet. Wobei die Herkunft des ersteren Ortes im Dunkel der Geschichte liegt, dagegen in Steuerakten Rochlitz bis hin 16 Jahrhundert als Lehngut erwähnt wird und eine sorbische Gründung war. Schier undurchdringlicher Urwald, von den Sorben Skoldoch genannt, bedeckte das Land rings um die Dörfer zu weit das menschliche Auge blicken konnte.
Foto Karte: Die sorbischen Neuankömmlinge nahmen des Weg entlang des Schwarzen Grabens/ Schwarzbasser.
Wer im Sorben-Dorf das Sagen hatte
Fortbestand und Sicherheit der Stammes hatte oberste Priorität im sorbischen Stammesleben. Strenge hierarchische Strukturen sicherten den Zusammenhalt. Die Stammesfürsten hatten ihren Sitz in Wallburgen/Burgwarden an herausgehobenen strategischen Punkten. Dommitzsch (slaw. Dumoz) und/oder Belgern (slaw. Belgora) waren die am nächsten gelegen Sitze sorbischer Anführer. Die zerfallene bronzezeitliche Burganlage auf dem Burzlberg in den Hohburger Bergen wurde von den Sorben wieder für ihre Bedürfnisse aufgebaut. Die exponierte Lage dieser Wallburg wird nicht ohne Einfluss auf des Geschehen links und rechts des Schwarzen Grabens gewesen sein. In hiesigen Gefilden weist die Anlage des Rittergutes Klitzschen mit einem umschließenden Wallgraben und unpassierbaren Sumpfgelände in drei Himmelsrichtungen auf eine Slawische Burganlage hin, die wohl nicht nur Wohnstelle eines lokalen Stammesführers war, sondern als Fluchtburg der Bevölkerung in kriegerischen Zeiten sowie als politischer wie spiritueller Versammlungsort gedient haben könnte. Die sorbischen Bauernfamilien befanden sich in feudaler Abhängigkeit von ihren Anführern, mussten diese durch Abgaben ernähren, im Kriegsfall als Krieger zur Verfügung stehen und sich ihrem Urteil bei Streitigkeiten und Vergehen beugen. Die alltägliche Organisation des Alltags oblag den Supanen, ähnlich dem Dorfschulzen bzw. Bürgermeistern. Die Dörfer selbst beherbergten selten mehr als 50 Seelen, die mehr oder weniger familiär verbunden waren. Jede Familien bewohnte in Fachwerk- und Lehmbauweise errichteten Häuser, die sich um einen Dorfmittelpunkt gruppierten. Der Dorfmittelpunkt war ein Platz auf dem sich wahrscheinlich lokalen Heiligtümer befanden( große Steine, alte Bäume, machmal auch ein Teich, wie in Strelln heute noch vorhanden. Der zentrale Platz diente als gemeinschaftlicher Kommunikationsort für Versammlungen, rituelle Handlungen und Festlichkeiten. Unser Gebiet lag in sorbischen Gau Nisizi, auf deutsch „ Die Niederung“. Nisizi bezeichnete nur die Lage und Landschaft des Gebietes und ist keine Bezeichnung für einen zentralgeführten sorbischen Gau. Ob das Gebiet vom westlichen gelegenen Siusili Gau oder vom südöstlich gelegenen Dalimanziner Gau beherrscht wurde ist nicht belegt.
Foto: Der sorbische Gau Nizizi mit dem Gebiet Mockrehna
Quelle: bearbeitet M.Walter
In Torgowe wurde gehandelt
Neben der Sicherheit gegenüber menschlichen und tierischen Feinden wurde die zuverlässige Ernährung des Stammes zum Hauptzweck des täglichen Handelns.
Im Gegensatz zu der relativ offenen Landschaft in den Elbauen hatte sich entlang des Schwarzen Grabens die Natur die ehemals landwirtschaftlichen Flächen größtenteils wieder zurückgeholt. Schwere körperliche Arbeit und Zeiten der Entbehrung standen den sorbischen Siedlern bevor. Acker musste durch Rodung, in den meisten Fällen durch Brandrodung, für den Getreideanbau gewonnen werden. Auf den Feldstücken in unmittelbarer Nähe des Dorfes wurde vor allem Getreide im Wechsel mit Grünlandbrache angebaut. Dieses Brachland, die natürlichen Wiesen und der Wald dienten zur Tierweide (Kühe, Ziegen Schafe). Ein relativ hoher Anteil der Ernährung basierte auf der Jagd und der Sammelwirtschaft in den Wäldern.
Die Tiere des Waldes und des Wassers wurden mit großen Geschick gejagt und verarbeitet. Der Fleischverbrauch soll über den der heute lebenden Menschen gelegen haben. Die Haustiere wie die Wildtiere wurden fast vollkommen verwertet, wie zum Beispiel die Sehnen zum Vernähen der Felle und Häute für die Kleidung. Was über den Eigenbedarf erwirtschafte werden konnte wurde zum Markte getragen. Dort waren vor allem Biberfälle, Honig und Bienenwachs begehrt. Mäntel aus Biberfell wärmten nicht nur gut, sondern galten als Statussymbole der herrschenden Schicht. Honig, von wilden Waldbienen gewonnen, das einzige haltbare Süssungsmittel dieser Jahrhunderte und Bienenwachs fand vielfältig Verwendung und somit regen Absatz. Als zentraler Handelspunkt - auf sorbisch Torgowe, entwickelte sich das Plateaus eins Porphyrfelsens, dem heutigen Torgauer Marktplatz, an der nahen Elbe. Auf diesen hochwassergeschützten Platz wurden die Waren umgeschlagen, eine Elbefurth ermöglichte die Verbindung nach Osten. Hier kreuzten sich zwei wichtige Handelswege, auf einem kam das lebensnotwendige Salz aus den Salinen Halles. Das spätere Torgau erlebte hier seine Geburt. Das Handwerk erreichte in der Region einen neuen Aufschwung. Die Sorben brachten die frei drehte Töpferscheibe mit. Aus Eisen aus den reichlich vorhandenen Raseneisensteinen geschmolzen, wurde Spitzen für den hölzernen Hakenpflug geschmiedet, aber auch Beschläge für das Reitzeug der Krieger und deren eisenbesetzte Waffen, die in den darauffolgenden Jahrhunderten gar nicht so selten zur Anwendung kommen sollten.
Auf Beutezug in Thüringen
Die Sorben wussten mit den Waffen ihren Zeit gut umzugehen. Als Bündnispartner oder abhängige Vasallen der Awaren, einem Reitervolk aus den Tiefen der russischen Steppen, waren sie auf ihren Weg bis an Saale und Elbe an vielen Raub- und Eroberungszügen beteiligt. Einige Familienverbände der Sorben hatten sich im 6. Jahrhundert sogar bis über die Saale ins mächtige Reich der Thüringer gewagt. Slawische Ortsnamen verraten uns noch heute ihre dortige Ansiedlung. Nachdem die Thüringer 531 von den vereinten Franken und Sachsen vernichtend geschlagen wurden, dehnten die Franken ihr Reich bis an Elbe und Saale aus. Für die hier siedelten Sorben kein Grund nicht auf erfolgsversprechende Raubzüge über die Saale hinaus vorzudringen. Silber, Schmuck, Pelze, Pferde sowie Kinder und Frauen wurden erbeutet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit folgten gleichfalls die hier um Mockrehna herum ansässigen Sorben den Ruf ihrer Stammesfürsten zum Kriegszug nach Thüringen. Der Ortsname Strelln = Pfeilstätte , verrät die dort Wohnenden als Meister der Waffenherstellung und sicher gleichwohl des meisterlichen Umganges mit denselben. Schriftlichen Aufzeichnungen nach gelang es den fränkischen Kaufmann Samo hundert Jahre später, die bis dahin getrennt oder gegeneinander kämpfenden slawischen Stämme zu einem Heer zu vereinen, die dann in zwei Schlachten 632/33 das Herr des angreifenden fränkischen Königs Dagobert vernichtend schlugen. Die Beutezüge von slawischen Stämmen nach Westen gingen weiter.
Der Limes Sorabicus (Rote Linie) sollte räuberische Einfalle der slawischen Völker in das Ostfränkische Reich eindämmen.
Quelle: Prof. W.Dzwonkowski-Prahistoria ziem polskich
Kaiser Karl der Große in Mockrehna?
Die Macht und Nachbarschaft der kriegsfreudigen Slawen konnte von den fränkischen Königen nicht ewig geduldet werden. Das Slawenreich zerfiel nach der Herrschaft Samos wieder in ein lockeres Gebilde verbündeter Stämme, ohne die gelegentlichen Beutezüge über die Saale ganz einzustellen. Darum wurde die Saale/Elbe-Linie von den Frankenkönigen zu einem mit Burgen befestigtem Grenzstreifen ausgebaut- Limes Slavica(Slawengrenze) genannt. Das bedeutete nicht, dass am Schwarzen Graben nun Ruhe und Frieden einkehrte, mit kriegerischen Auseinandersetzungen und Überfällen musste in den sorbischen Dörfern jederzeit gerechnet werden. Die slawischen Stämme versuchten sich, je nach aktuellen Bündnissen, gegenseitig die Früchte ihrer Daseins abzujagen. Besonders bekehrt die kräftigen jungen Frauen und Männer, die mit reichlich Gewinn als Sklaven bis Byzanz und in die Arabischen Kalifate verkauft werden konnten. Zu Ende des 8.Jahrhunderts kam aus der fränkischen Königsdynastie Karl I., später der Große genannt, auf den Königsthron in Aachen. Ausgestattet mit Mut, Intelligenz und politischen Geschick festigte er seine fränkische Macht und wurde zudem in Rom zum Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation gekrönt. Bis 804 hatte Karl I. seine Macht an den westlichen und südlichen Reichsgrenzen gefestigt. Nun konnte er sich den Sorben annehmen. 805 überschritt ein mächtiges fränkisches Heer die Saale mit dem Ziel, sich die Sorben und weitere slawische Völkerschaften zu Vasallen zu machen. In älterer Literatur wird vermutet, dass Kaiser Karl auf seinem Kreuzzug in Belgora ( heute Belgern) Station machte, um den dort sitzenden Sorbenfürsten zur Kapitulation zu zwingen. Auf dem Weg dorthin soll das kaiserliche Herr dem Vernehmen nach die bekannte Heeresstraße von Westen gekommen sein und damit Mucherini (heute Mockrehna) passiert haben. Ob das für die hiesigen Sorben Tage des Glückes gewesen sind, ist zu bezweifeln, denn die fränkischen Ritter zeigten sich im Kriegsfall als unnachsichtige Krieger gegenüber ihren Feinden. Der Kriegszug ging über zwei Jahre, an dessen Ende alle sorbischen Fürsten vor Kaiser Karl die Waffen streckten, ihm die Gefolgschaft und Vasallentreue schwörten. Sie hatten jährliche Tribute abzuliefern bzw. im Kriegsfall Kaiser Karl Gefolgschaft zu leisten. Die Tribute( Silber, Pferde, Felle, Honig u.a.) mußten zu bestimmten christlichen Feiertagen auf festgelegten Burgen im Frankenreich abgeliefert werden. Dem Heer Kaiser Karls folgten die Männer der Kirche. Die Mönche kamen um die Slawen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Über berichtenswerte Missionierungserfolge ist wenig bekannt. Die Sorben zeigten sich widerspenstig, vertreiben die Mönche wieder oder erschlugen sie. Die Sorben hielten an ihren Naturgöttern fest. Das sollte sich erst mit der Krönung des Sächsischen Herzogs Heinrich zum ersten deutschen König Heinrich I. ändern.
Der Limes Sorabicus (Rote Linie) sollte räuberische Einfalle der slawischen Völker in das Ostfränkische Reich eindämmen.
Quelle: Prof. W.Dzwonkowski-Prahistoria ziem polskich